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Augen auf beim Kündigungsversand – Was früher galt, gilt heute nimmer mehr ODER der Niedergang des Einwurf-Einschreibens

Beim Streit um den Zugang einer schriftlichen Kündigung genügt ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG in Kombination mit einem Einlieferungsbeleg der Post sowie einem Sendungsstatus nicht als Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kündigung bei der Empfängerin angekommen ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 30. Januar 2025 – 2 AZR 68/24 klargestellt.

Sachverhalt

Die Arbeitsvertragsparteien stritten (zuletzt noch) darüber, ob eine Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26. Juli 2022 das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Die Arbeitnehmerin arbeitete als Sprechstundenhilfe seit Mai 2021 in der Augenarztpraxis der Arbeitgeberin. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. März 2022 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage und wies auf ihre bestehende Schwangerschaft hin. Das Arbeitsgericht stellte später fest, dass das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Das zuständige Regierungspräsidium erteilte der Arbeitgeberin mit Bescheid vom 25. Juli 2022 die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin. Im Rahmen des damals noch erstinstanzlich anhängigen Kündigungsschutzverfahrens berief sich die Arbeitgeberin darauf, sie habe das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Die Arbeitnehmerin bestritt den Zugang dieses Kündigungsschreibens. Die Arbeitnehmerin hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – sinngemäß beantragt festzustellen, dass das zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung der Arbeitgeberin vom 26. Juli 2022 beendet wurde. Die Arbeitgeberin beantragte die Klage abzuweisen und meinte, das Arbeitsverhältnis sei mit Zugang des Schreibens vom 26. Juli 2022 beendet worden. Die Arbeitnehmerin habe diese Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen. Die Mitarbeiterinnen der Arbeitgeberin U und K hätten das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt. Danach habe Frau U den Umschlag zur Post gebracht und dort am 26. Juli 2022 um 15:35 Uhr als Einwurf-Einschreiben zur Sendungsnummer RT persönlich aufgegeben. Ausweislich des im Internet abrufbaren sog. Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Arbeitnehmerin am 28. Juli 2022 zugestellt worden. Insoweit bestehe ein Anscheinsbeweis, der durch das pauschale Bestreiten der Arbeitnehmerin nicht erschüttert werde, auch wenn sie – die Arbeitgeberin – wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Frist, innerhalb derer die Deutsche Post AG die Kopie eines Auslieferungsbelegs erteilt, einen solchen nicht vorlegen könne. Schließlich habe das Landesarbeitsgericht verkannt, dass einige Indizien dafür sprächen, dass das Bestreiten des Zugangs durch die Arbeitnehmerin wahrheitswidrig sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit in der Revision von Interesse – abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Arbeitgeberin ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung

Das BAG gab der Vorinstanz Recht: Das Arbeitsverhältnis war nicht durch Kündigung vom 26. Juli 2022 außerordentlich fristlos oder hilfsweise ordentlich beendet worden. Die Arbeitgeberin habe den Zugang der Kündigung nicht nachgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG und des Bundesgerichtshofs geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden zu, sobald sie in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist. Die Arbeitgeberin trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens. Sie konnte jedoch keinen Beweis für den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten der Arbeitnehmerin anbieten. Der Postbote konnte nicht ermittelt werden und fiel damit als Zeuge aus. Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Arbeitgeberin besteht nicht, da der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus keinen ausreichenden Beweis für den Zugang darstellen. „Da durch die Absendung eines Schreibens nicht der Nachweis seines Zugangs erbracht werden kann, ist der Einlieferungsbeleg für die Frage des Zugangs ohne Bedeutung“, so das Urteil des BAG wörtlich. Der Sendungsstatus bietet nach Auffassung der Erfurter Richterinnen und Richter keine ausreichende Aussage für einen Zugang und lasse nicht erkennen, an wen die Zustellung erfolgt sein soll – persönlich an den Empfänger, an eine andere Person in dessen Haushalt oder durch Einwurf in den Hausbriefkasten? Die Arbeitgeberin hat es laut BAG versäumt, die Kopie eines Auslieferungsbelegs als Nachweis anzufordern, was innerhalb einer Frist von 15 Monaten, in denen die Deutsche Post AG die Kopien speichert, möglich gewesen wäre. Ohne einen Auslieferungsbeleg bestehe praktisch keine Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu führen. Die Verfahrensrügen der Arbeitgeberin wurden als nicht durchgreifend erachtet.

Praxistipp

Dieses Urteil zeigt erneut, wie wichtig eine präzise und rechtssichere Vorbereitung und Vollziehung einer Kündigung im Arbeitsrecht ist. Arbeitgeber sollten daher ihre Prozesse beim Ausspruch von Kündigungen überprüfen und Kündigungen am besten persönlich übergeben oder per Boten (der dann natürlich auch den Inhalt des Schreibens kennt und dies sowie Ort und Zeit der Zustellung dokumentiert) zustellen lassen, während Arbeitnehmer ihre Rechte bei Zweifeln am Zugang einer Kündigung kennen und nutzen sollten. Am sichersten ist der Einwurf in den Hausbriefkasten durch einen persönlich bekannten Boten, der dann als Zeuge auftreten kann. Das erklärte das LAG in seinem Urteil: „In der Tat läuft die hier vertretene Auffassung darauf hinaus, dass die rechtssicherste Zustellungsform nach wie vor der Einwurf in den Hausbriefkasten des Empfängers durch persönlich bekannte Boten ist, die dann problemlos als Zeugen benannt werden können.“

Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 30. Januar 2025 – 2 AZR 68/24

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